Klinisch wissenschaftliche Grundlagen der Fastentherapie

Die physiologischen Grundlagen des körperlichen Anpassungsprozesses an Nahrungskarenz bzw. Fastenperioden sind seit längerem aufgeklärt und beschreiben eine Reihe von gesundheitsfördernden Effekten. Im Vordergrund stehen die Gewichtsreduktion, Verbesserungen des Fettstoffwechsels und der Glukoregulation einschließlich der günstigen Absenkung von Insulin, Leptin, IGF-1 und der Erhöhung von Adiponektin, neurotropher Faktoren und der Sensitivität von Zellrezeptoren, z.B. natriuretischer Peptide. Darüber hinaus konnte Grundlagenforschung der letzten Jahre die molekularbiologischen Mechanismen und Signalwege sowie Effekte auf die Genexpression von kalorischer Restriktion und Fastenperioden aufklären. Hierbei wurde deutlich, dass die mit Nahrungsentzug verbundene initiale Aktivierung der neuroendokrinen Stressreaktion einen günstigen Adaptationsprozess im Sinne der Hormesis darstellt. Langfristig entstehen dadurch eine verbesserte Stress Resilienz des Körpers, Präkonditionierungseffekte sowie Schutz vor oxidativen und genetischen/ epigenetischen Alterungsprozessen.

Im Bereich der klinischen Forschung liegt für das Fasten eine 1a- Evidenz für die Indikation der rheumatoiden Arthritis vor. Preliminäre Studien belegen weiter deutliche Beschwerdelinderung durch Fasten bei symptomatischer Arthrose und Fibromyalgie sowie kardiometabolische Effekte wie Blutdrucksenkung, Verbesserung der Insulinsensitivität. Epidemiologische Daten weisen entsprechend auf koronarprotektive Effekte von regelmässiger Fastenpraxis durch Fastentage. Zahlreiche Studien belegen zudem günstige psychische Effekte des Fastens mit Stimmungsaufhellung, Reduzierung von Depression und Angst, vermutlich auch durch eine höhere zentrale Serotonin Verfügbarkeit. Im Kontext der umfassenden neueren experimentellen Forschung zu den Wirkungen von kalorischer Restriktion auf Alterungsprozesse konnte weiter ein potentieller Nutzen des intermittierenden Fastens im therapeutischen Management von Krebserkrankungen belegt werden, vermutlich aufgrund einer differentiellen Stress Resistenz auf Chemotherapie und Bestrahlung.

Wissenschaftlich wird damit das medizinische Potential des therapeutischen Fastens zunehmend belegt und evident. Notwendig sind nun größere klinische kontrollierte Studien, die den klinischen Nutzen und die Nachhaltigkeit der Fastentherapie weiter evaluieren und die Translation in die medizinische Praxis fördern. Zudem sind vergleichende Studien zu den Differentialeffekten veschiedener Längen und Formen des Fastens und kalorischer Restriktion sinnvoll.

Andreas Michalsen, Berlin

Seit 2009 Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité-Universitäts-medizin Berlin.
Zu seinen Fachgebieten gehören u.a. Homöopathie, Physikalische Medizin und Balneologie, Ernährungsmedizin, Akupunktur und Mind-Body Medizin.

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